Januar 2024. In Deutschland gehen Tausende Menschen auf die Straßen. Mobilisiert durch einen Bericht des Journalistennetzwerks “Correctiv” über ein Treffen von Rechten und Rechtsextremen am 25. November 2023 in einem Hotel im Potsdamer Stadtteil Neu Fahrland, wo über Pläne zur Massenvertreibung von Migranten und von deutschen Bürgern mit Migrationshintergrund aus Deutschland gesprochen und  ein “Masterplan” dafür vorgestellt sein sollen. Mobilisiert auch durch eine in der jüngsten Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bis dahin nicht gekannte Medienkampagne und von Politikern der Ampel-Koalition (SPD, Grüne, FDP) gegen “Rechts”.1Dazu: https://www.presseclubpotsdam.com/2024/01/12/die-harzburger-front-von-neu-fahrland/

Die von “Correctiv” erhobenen Vorwürfe sind bis heute nie auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft worden. Unisono werden sie öffentlich wiedergegeben und damit nicht nur Rechtsextreme und Rechte an den Pranger gestellt, sondern auch all jene, die es wagen, den Bericht kritisch zu hinterfragen.

Hauptleidtragende der Kampagne sind aktuell die Betreiber des Hotels, in dem das Treffen stattfand, sowie Einwohner von Neu Fahrland, die damit nichts zu tun hatten, aber in der Nähe des Hotels wohnen bzw. dort arbeiten. Wie schon bei ähnlichen Vorgängen zu erleben war: Sie werden unter Generalverdacht gestellt, von dem sich die Menschen und der Ort wohl nur sehr schwer werden befreien können.
Vermutlich wird dies erst dann möglich sein, wenn eine sachliche Untersuchung der Vorgänge in Neu Fahrland am 25. und 26. November 2023 zutage fördert, was dort wirklich besprochen wurde.

Bis dahin kann sich Deutschland aber schon verändert haben! Als Auswirkung der “Correctiv“-Berichterstattung und daraufhin abgelaufener Ereignisse. Solange bleiben unbeantwortete Fragen und Menschen, die in den Strudel der Ereignisse gerissen wurden und keine Chance hatten sich, zu verteidigen.

Die nachfolgend aufgeworfenen Fragen ergaben sich aus einer umfangreichen Auswertung von Literatur, u.a. des Buches von Erich Schmidt-Eenboom, Undercover. Der BND und die deutschen Journalisten, Köln 1998.

Frage 51
Frage des Abgeordneten Dr. André Hahn (fraktionslos):
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den Recherchen von „Correctiv“ hinsichtlich eines im November 2023 stattgefundenen Geheimtreffens in Potsdam, an dem AfD-Funktionäre, potenzielle Großspender und Vertreter der rechtsextremen Identitären Bewegung teilgenommen haben sollen (siehe correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextremenovember-treffen/)?
Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahmut Özdemir:
Nach sorgfältiger Abwägung ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage zu eigenen Erkenntnissen zur Veranstaltung am 25. November 2023 in Potsdam aufgrund entgegenstehender überwiegender Belange des Staatswohls nicht erfolgen kann. So können aus der Beantwortung, ob bzw. wann der Bundesregierung und den ihr nachgeordneten Behörden Informationen zu der genannten konkreten Veranstaltung vorlagen, Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand des BfV und gegebenenfalls die nachrichtendienstlichen Methodiken und Arbeitsweisen ermöglicht werden, wodurch die zukünftige Erkenntnisgewinnung des BfV aufgrund entsprechender Abwehrstrategien nachhaltig beeinträchtigt oder in Einzelfällen sogar unmöglich gemacht wird.
Ist eine Frage – wie im Falle der dieser Beantwortung zugrundeliegenden Anfrage – auf eine bestimmte Veranstaltung mit einem bestimmbaren Teilnehmerkreis sowie einem bestimmbaren Kreis an Personen, die vorab Kenntnis von einer bestimmten Veranstaltung gehabt haben, bezogen, so könnten aus einer Beantwortung stets Rückschlüsse auf geheimhaltungsbedürftige Informationen gezogen werden. Diese drohende nachhaltige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit könnte einen gravierenden Nachteil für die wirksame Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten.
(Quelle: Plenarprotokoll 20/146 der Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. Januar 2024, S. 18597)

Frage 1

Warum wurden die Betreiber des Landhaus “Adlon” in Neu Fahrland nicht vorab darüber informiert, wem sie Logis und Essen gewährten?

Dr. Gernot Mörig und das von ihm betreute Netzwerk, Organisatoren des Treffens, standen seit vielen Jahren unter Beobachtung investigativer Gruppen, möglicherweise auch des Verfassungsschutzes. Diese Gruppen veröffentlichten ihre Kenntnisse über Mörig, sein berufliches und privates Umfeld sowie über Teilnehmer seines Netzwerks im Internet.

Gleiches gilt für den in der Einladung zu dem Treffen angekündigten Hauptredner der Veranstaltung, Martin Sellner. Organisator und Ideologe der Identitären Bewegung in Österreich.

Alle anderen Personen, die der Einladung zu dem Treffen gefolgt waren, galten bis dahin – nach oberflächlicher Betrachtung ihrer Person und ihrer Aktivitäten –  als unverdächtig.

Mörig und Sellner konnte man als mit der rechten bzw. rechtsradikalen Szene nicht befasster Normalbürger nur schwer kennen. Zumindest nicht so, wie sie zwei Monate nach dem Treffen von “Correctiv” porträtiert wurden.

“Correctiv” und der Verfassungsschutz wussten mehrere Wochen vorher von dem Treffen und hatten umfangreiche Kenntnisse über den Hauptredner und die Organisatoren der Veranstaltung.

Warum wurden die Betreiber des Landhaus “Adlon” nicht da schon darauf aufmerksam gemacht, wer sich bei ihnen zu treffen gedachte, und ihnen die Chance gegeben, über Zustimmung oder Absage zu entscheiden?

Wollte man sie ganz bewusst im Ungewissen lassen? Doch aus welchem Grund?

Frage 2

Wer war alles an der Organisation der Aktion beteilig?

Die von “Correctiv” betriebenen Vorbereitungen auf das Treffen müssen spätestens im Oktober 2023 begonnen haben. Es mussten inhaltliche Fragen und mit der Durchführung der Aktion verbundene rechtliche Themen besprochen worden sein. Es war über Geld zu reden, den konkreten Ablauf der Aktion, die zu organisierende Technik, über die zum Einsatz kommenden Personen und deren rechtliche Absicherung bei einer möglichen Enttarnung.
Von vornherein muss dabei klargestellt worden sein, dass man Grundrechte und Persönlichkeitsrechte verletzt. Das heißt, bei den Besprechungen könnten Personen mit juristischem Fachwissen anwesend gewesen sein sowie Personen, die sich in der Organisation von mit geheimdienstlichen Mitteln durchgeführten verdeckten Operationen auskannten.

Man konnte nicht davon ausgehen, dass die geplante Aktion erfolgreich sein würde. Sie konnte auch vorab auffliegen. Wie würden die Geldgeber von “Correctiv” dann auf einen solchen Misserfolg und auf die mögliche Enttarnung der daran Beteiligten finanziell reagieren?
Auch das musste vorab geklärt worden sein.

Frage 3

Ging es nur um die Aufklärung der Veranstaltung oder wurden von den Beteiligten weiterreichende politische Ziele verfolgt?

Wäre es um eine reine Aufklärung der Veranstaltung gegangen, hätte man die Ergebnisse zeitnah veröffentlichen können. Aber man ließ sich über zwei Monate Zeit damit. WARUM?

Bei einer reinen journalistischen Verwertung der Erkenntnisse hätte man den daraus erhofften Ruhm schon mit einer früheren Veröffentlichung einheimsen können. Zudem lief man Gefahr, dass andere Medien oder Journalisten Wind bekommen könnten, was am 25.11.2023 in Neu Fahrland gelaufen und besprochen worden war und selbst daraus Kapital geschlagen hätten.
Doch das passierte erstaunlicherweise nicht.

In der Medienlandschaft geht es um Auflage und Verkaufszahlen. Wer meint, eine Sensation herausgefunden zu haben, wird bemüht sein, diese sofort in die Öffentlichkeit zu bringen und sowohl aus dem Ruhm der Erstveröffentlichung als auch aus der damit ausgelösten Kampagne Nektar, sprich Geld, ziehen.
Es sei denn: Man wird gebremst und mögliche Mitwisser werden zum Stillschweigen veranlasst.

Ob weiterreichende politische Ziele definiert und verfolgt wurden, lässt sich nicht beantworten. Das müsste über einen durch den Bundestag eingesetzten Untersuchungsausschuss geklärt werden. Dass mit journalistischen Recherche-Ergebnissen Einfluss genommen wird auf die Herbeiführung politischer Veränderungen, lässt sich aus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mehrfach belegen.

Basierend auf geheimen Akten des Bundesnachrichtendienstes, auf nahezu hundert Interviews mit Zeitzeugen und mehreren hundert Publikationen beschreibt der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom den nach haltigen Einfluss des BND auf die veröffentlichte Meinung in der Bundesrepublik. 2Covertext zu Schmidt-Eenboom, Erich: Undercover…, a.a.O.

Frage 4

Welche langfristigen politischen Ziele könnten besprochen worden sein? Wie sah die Strategie aus, diese zu verwirklichen?

Nicht immer handeln Menschen aus eigenem Antrieb, oder bewusst. Die gegen ihren Willen erfolgende Manipulation von Teilnehmern an Großveranstaltungen, ist schon sehr lange bewiesen. Aber Manipulation ist auch ansonsten ein gebräuchliches Mittel. Vor allem in der Politik.

Im Oktober 2023 war für die normalen Menschen und für die politischen Akteure in Deutschland erkennbar: der Zuspruch für die Alternative für Deutschland (AfD) hat einen solchen Stand erreicht, dass das bisherige Parteiensystem in Deutschland in Frage gestellt werden könnte.
Von Umfrage zu Umfrage erhielten die AfD und andere neue Oppositionsgruppierungen auf der linken und der rechten Seite, deren Gründung angekündigt worden war, höhere Zustimmungswerte. Die Regierung und die sie tragenden Parteien gerieten dadurch immer mehr unter Druck, noch verschärft durch nichtpolitische Proteste aus der Zivilgesellschaft.

Die Regierung und die sie tragenden Parteien fanden keine Antworten auf diese Entwicklung verstanden es nicht, mit Hilfe politischer Entscheidungen zu dieser zu begegnen und sie zu verändern. Hinweise und praktische Vorschläge zu Veränderungen aus der um den Bestand der Demokratie besorgten demokratischen Öffentlichkeit wurden von ihnen ignoriert bzw. bekämpft.

Aus ihrer Sicht bedurfte es eines Mittels, mit dessen Hilfe in kürzester Zeit eine “Gegenöffentlichkeit” zu der immer weiter erstarkenden Opposition von rechts, zu deren Sympathisanten und deren potentiellen Wählen geschaffen werden konnte.
Ziel: Verringerung der Zustimmungswerte für die AfD.

Wenngleich die AfD als Hauptziel ausgemacht wurde, mussten auch andere Gruppierungen des rechten Spektrums geschwächt werden: von extrem rechts, über rechts bis hin zu gemäßigt rechts; Parteien, Vereine, Gesprächskreise u.a. .
Idealerweise traf man damit auch die sich neu formierende Opposition im linken Lager und deren hohe Zustimmungswerte.

Frage 5

Gibt es in Deutschland ein Printmedium, einen Rundfunk- oder Fernsehsender, die die “Correctiv”- Recherchen analysiert oder hinterfragt haben?

Zu DDR-Zeiten war es einfach: Man kaufte sich das “Neue Deutschland” und wusste, was in allen Tageszeitungen an allgemeinen politischen Informationen stehen würden. Diejenigen Printmedien, die eine eigene Meinung veröffentlichen durften, gab es nur im stark begrenzten Abonnement oder unter dem Ladentisch.
Mit der Zugehörigkeit zu Gesamtdeutschland wurde es für uns Ossis zunächst schwieriger herauszufinden, wer die Meinungsbildner waren. “Der Spiegel”, ARD und ZDF, das nahmen wir an. Aber Thomas Wieczorek klärte uns 2009 mit seinem Buch ” Die verblödete Republik. Wie uns Medien, Wirtschaft und Politik für dumm verkaufen“, dass es viel komplizierter war.

Seit dem 10. Januar 2024 ist es noch schwieriger geworden. Neues Leitmedium scheint nunmehr das Redaktions-Netzwerk “Correctiv” zu sein. Zumindest ordnen sich seiner Sichtweise auf das Treffen in Neu Fahrland alle Printmedien, Fernseh- und Rundfunksender Deutschlands unter. Selbst das vormalige Leitmedium “Der Spiegel” verzichtet darauf, die “Correctiv”-Sensation zu hinterfragen. Dabei macht gerade das kritischen Journalismus aus.

Die nachfolgenden Beiträge und Kommentare des “Spiegel” zu dem Thema blieben auf dem Informationsstand des “sollte” und “könnte”. Keine eigenen Recherchen zu dem brisanten Thema. Keine Zweifel an dem Zustandekommen der Sensation und an deren Inhalt, unkritische Übernahme der in Verbindung damit aufgestellten Behauptungen. Das war und ist man vom “Spiegel” nicht gewohnt!
Stattdessen Verschärfung der Vorwürfe: “Deportationsgipfel”, Vergleich mit einem “NS-Plan zur Massenvertreibung 1940”.

Und dann kam am 13. Januar 2024 endlich die Überschrift, die erklärte, warum sich der “Spiegel” so unkritisch verhielt: “Das Ende der Geduld mit der AfD“.  Es ging nicht mehr nur um ein “Geheimtreffen”, sondern jetzt standen die AfD und alle die mit ihr sympathisierten und der Partei die hohen Zustimmungswerte verschafften im Zentrum des Abwehrkampfes.

Am 18. Januar 2024 dann aber die Ernüchterung:

Am 22. Januar 2024 ist “Der Spiegel” dann aber wieder voller Hoffnung:

Wie sagte aber mit visionärem Blick die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley im Frühjahr 1991 bei einem Treffen mit Freunden:

Alle diese Untersuchungen, die gründliche Erforschung der Stasi-Strukturen, der Methoden, mit denen sie gearbeitet haben und immer noch arbeiten, all das wird in die falschen Hände geraten. Man wird diese Strukturen genauestens untersuchen – um sie dann zu übernehmen.
Man wird sie ein wenig adaptieren, damit sie zu einer freien westlichen Gesellschaft passen. Man wird die Störer auch nicht unbedingt verhaften. Es gibt feinere Möglichkeiten, jemanden unschädlich zu machen. Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen, glaubt mir. Man wird Einrichtungen schaffen, die viel effektiver arbeiten, viel feiner als die Stasi. Auch das ständige Lügen wird wiederkommen, die Desinformation, der Nebel, in dem alles seine Kontur verliert.
3https://www.achgut.com/artikel/baerbel_bohley_die_frau_die_es_voraussah/P10

Natürlich wehrte sich die AfD gegen die Kampagne und gegen die Beschuldigungen:

Frage 6

Wieso verfügt das Netzwerk “Correctiv” über so viel Macht, dass sich die gesamte Medienlandschaft Deutschlands ihm unterordnet und widerspruchslos seine “Recherche”-Ergebnisse übernimmt?

Am 21. März 2019 behandelte der Deutsche Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung. In der Diskussion dazu sagte die Abgeordnete Tabea Rößler (Bü90/Die Grünen):

Journalistinnen und Journalisten können aufgrund der Änderungen in § 5 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, in dem jetzt eine Ausnahmeregelung statt eines Rechtfertigungsgrundes verankert ist, nun grundsätzlich nicht mehr juristisch verfolgt werden, wenn sie Geschäftsgeheimnisse erlangen, nutzen oder offenlegen. Ein Verfahren wie gegen den Correctiv-Chefredakteur Oliver Schröm, der ja den Milliardenbetrug rund um Cum/Ex aufdeckte, kann zukünftig also hoffentlich nicht mehr eingeleitet werden.
Aber stellen Sie sich vor, Sie müssten bei jedem Geschäftsgeheimnis, von dem Sie erfahren, befürchten, dass gegen Sie ein Strafverfahren eröffnet wird! Würden Sie das Risiko eingehen? Würden Journalisten dann noch investigativ recherchieren? Wohl kaum, und das wäre tatsächlich eine Einschränkung der Pressefreiheit. Zum Glück ist dieses abgewehrt worden, und das entspricht ja auch nur dem gesunden Menschenverstand: In einem Rechtsstaat müssen Übeltäter verfolgt werden, die ein Unrecht begehen, und nicht die Whistleblower oder Journalisten oder Arbeitnehmer, die das Unrecht aufdecken.

Unbeantwortet ließ sie die Frage: Was passiert mit denjenigen, die Unregelmäßigkeiten oder Verstöße gegen geltendes Recht bei den BündnisGrünen aufdecken? Scheinbar standen diese bei ihr über jeglichem Verdacht. Die Bundesregierung dagegen, damals von CDU und FDP gebildet, war für sie ein Problem, wie auch die AfD:

Obwohl die Änderungen für mich ein kleiner Triumph der Demokratie und auch der engagierten Zivilgesellschaft sind, fürchte ich, dass es dennoch keinen Anlass für allgemeinen Optimismus gibt. Zum einen hat die Bundesregierung die Pressefreiheit nur vor einer Gefahr gerettet, die sie selbst heraufbeschworen hat, und zum anderen nutzt die Bundesregierung ja immer wieder Gelegenheiten, die Presse- und Meinungsfreiheit zu beschneiden. Ich denke da zum Beispiel an den Landesverratsskandal rund um das Blog Netzpolitik.org vor einiger Zeit oder die aktuelle Debatte jetzt um Uploadfilter bei der EU-Urheberrechtsreform.

In der Bundestagssitzung vom 18. Dezember 2019 griff Doris Achelwilm (Die Linke) auf der Basis von “Correctiv”-Recherchen die AfD an:

Aber zum Glück gibt es Investigativjournalisten, und so wissen wir dank dem Recherchezentrum Correctiv und ZDF-„Frontal 21“, dank ARD-„Panorama“ und „Zeit Online“ von einem sehr AfD-freundlichen Verein, der allein im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen vor zwei Jahren 2,6 Millionen Werbezeitungen und etliche Großplakate spendiert hat, alles ohne jede Quellenangabe bei der direkt begünstigten
AfD.

In der Bundestagssitzung vom 22. September 2022 nutzte Omid Nouripour (Bü90/Die Grünen) Correctiv-Recherchen für einen Angriff auf die nunmehr in der Opposition befindliche CDU/CSU:

Wann stellt sich jemand von Ihnen hierhin und sagt mal was zum „Correctiv“-Bericht über Mitglieder Ihrer Partei, die privatwirtschaftlich an Nord Stream verdient haben, was uns in diese Lage gebracht hat?

Oliver Schröm, der ab 1. Januar 2018 als Chefredakteur “Correctiv” leitete, war im Mai 2023 zu RTL Deutschland gewechselt.

Den Entwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Falschmeldungen und zur Transparenz der Medienmacht von Parteien (Medientransparenzgesetz) behandelte der Bundestag auf Initiative der AfD in seiner Sitzung am 28. September 2023. Im Plenarprotokoll auf den Seiten 15671 ff. zu finden.
Anlass dafür war für die AfD die Berichterstattung des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) zu möglichen Verbindungen zwischen der Partei und Russland. Der Einbringer des Entwurfs Stephan Brandner ging in seiner Rede u.a. auf RND selbst ein:

Das wäre nicht weiter bemerkenswert, wenn das RedaktionsNetzwerk Deutschland, RND, nicht bemerkenswert wäre.  Denn dieses RedaktionsNetzwerk Deutschland ist für überregionale Inhalte der Verlagsgesellschaft Madsack KG zuständig, deren Kommanditistin die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft ist, die wiederum zu 100 Prozent der SPD gehört.

Brandner weiter:

Meine Damen und Herren, die Parteien sollen an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Das setzt voraus, dass mit offenem Visier gekämpft wird.
Und dazu gehört natürlich auch, dass klar ist, wohinter Parteien stecken. Neutral wirkende Zeitungen können politische Inhalte natürlich besser transportieren als Parteiorgane. Und da sieht es ganz komisch aus in Deutschland. Die „Sächsische Zeitung“ und „Die Morgenpost“ in Dresden und Chemnitz, die „Niederelbe-Zeitung“, die „Neue Presse Coburg“, „Frankenpost“, der „Nordbayerische Kurier“, die „Westfälischen Nachrichten“, die „Neue Westfälische“, das „Freie Wort“ in Suhl und die „Südthüringer Zeitung“ – überall steckt SPD drin, aber nirgendwo steht SPD drauf.

Seine Ausführungen stießen auf heftigen Widerspruch. Der Gesetzentwurf wurde abgelehnt. In seiner dem Protokoll im Anhang beigefügten Rede geht Erhard Grundl (Bü90/Die Grünen) auf “Correctiv” ein und erklärte:

Von „FAZ“ bis „taz“, von RTL 2 bis Deutschlandfunk, von den Lokalzeitungen bis zu gemeinnützigen Medien wie „Correctiv“: Wir haben eine Medienvielfalt, die uns allen auf den Zahn fühlt – und das ist gut, und dem stellen wir uns. Diese Medienvielfalt werden wir erhalten und fördern, indem wir politisch für gute Rahmenbedingungen für Medienschaffende sorgen, indem wir die wirtschaftlichen Grundlagen des Journalismus absichern, die Medienanbieter gegenüber den großen Plattformen stärken und das Vertrauen in unabhängige Berichterstattung stärken. Freie Medien und unabhängige Journalistinnen und Journalisten sind demokratierelevant!

An dieser Stelle muss die Auswertung von Dokumenten des Deutschen Bundestages erst einmal eingestellt werden. Diese Aufgabe sollte ein vom Bundestag eingesetzter aus Nicht-Parteimitgliedern bestehender Unabhängiger Untersuchungsausschuss übernehmen.

Es ist unbestritten und legitim, dass sich die Demokratie vor ihren Feinden schützen sollte und muss. Sie hat eine Obhutspflicht gegenüber allen (!!) ihren Bürgerinnen und Bürgern.
Es ist nicht legitim, wenn bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe bewusst in Kauf genommen wird, dass auch Bürgerinnen und Bürger dadurch geschädigt werden können, die nicht zu den Feinden der Demokratie gehören und dass bewusst eine tiefgreifende Spaltung der Gesellschaft erfolgt. Das ist eine nicht hinnehmbare Verletzung der Obhutspflicht.

  • 1
    Dazu: https://www.presseclubpotsdam.com/2024/01/12/die-harzburger-front-von-neu-fahrland/
  • 2
    Covertext zu Schmidt-Eenboom, Erich: Undercover…, a.a.O.
  • 3
    https://www.achgut.com/artikel/baerbel_bohley_die_frau_die_es_voraussah/P10
error: Content is protected !!